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Empfehlungen I

Es kommt vor, dass sich Buchhändler*innen folgendes gefragt fühlen (meist weil sie auch wirklich gefragt werden): „Können Sie mir etwas empfehlen?" Diese Frage ist tunlichst mit Bedacht zu beantworten, alles andere als „Wenn es ein Buch sein soll, sehr wahrscheinlich" könnte ein Fehler sein. Es sei denn, man erkennt bestimmte Musikstücke und ihre Verwandten anhand wenig aussagekräftiger Text- und Tonfragmente, hat höchst stichhaltige Expertise im glanzvollen Fachbereich der Stabmixer und Küchengeräte, ist Restaurantkritiker oder man sieht sich gar im Stande in einer Buchhandlung, die fast ausschließlich Bücher führt, ein Geschenk zu finden, das ausdrücklich kein Buch sein soll.

Sucht aber jemand wirklich ein Buch, dann tu ich doch gefälligst mein Tunlichstes, ein Passendes zu finden. Hierbei kann es jedoch zu so mancher Schwierigkeit kommen.
Beispielsweise bei Geschenkempfehlungen für Gespenster, die meiner Wahrnehmung nach auch gut Bären oder Gespenster von Bären sein könnten - gleichviel. Heißt: Jemand braucht ein Geschenk über 2-6 Ecken, die unverhofft beglückte Person erscheint daher für Suchenden wie Buchhändler gleichermaßen gesichts- und interessenlos. Manchmal wird dies gar mit der Vermutung gewürzt, dass er oder sie ja gar nicht wirklich lesen würde. Spezialfall dieser Form: "Ich brauche ein Buch für meine Frau." - "Was liest sie denn gerne?" - "Keine Ahnung." Nicht die fruchtbarste Ausgangslage also.

Es beginnt ein Ringen um Informationen, ein Schlagabtausch kleinster Informationspartikel (dafür umso schneller), ein kommunikatives Kanonenfeuer der Erstorientierungsempfehlungen gefolgt von graduellem Zurechtschnitzen, viele Hmms und Nun-jas, Herumspringen in der Buchhandlung, ein zunehmend wackeliger Bücherstapel und so schlussendlich wie unausweichlich eine Entscheidung in welcher Form auch immer.

Ferner muss man, wenn niemand etwas über die beschenkte Person weiß, noch vorsichtiger als üblich vorgehen. Denn: In der Blüte der Pension stehende Menschen sind in der Tendenz (nicht immer und nicht nur diese, wie ich betonen möchte) anfälliger als andere für einen Myokardinfarkt bei der Lektüre von (beispielsweise) Manfred Rebhandls Kitty Muhr - wenn ein ablebender Effekt also nicht gewünscht ist, ist man damit in diesem Falle weniger gut beraten. Ulysses von Joyce hingegen ist für die wenigsten Vierjährigen ein wirklicher Genuss - worin sie sich von den meisten Ausgewachsenen nicht unterscheiden. Und nicht alle, die beruflich "irgendetwas mit Staudämmen" zu tun haben, geraten bei der Aussicht auf einen stillen Abend mit dem Tausendseiter "Die Neigungen von Staudämmen in ihrem langweiligsten, d.h. nicht sexuellem Sinne" nicht in mystische Ekstase.
Es bleibt also auf das Feingefühl in den Würschtelfingern zu vertrauen, ein wenig Erfahrung und sogenannten Einfühlungsvermögen sind auch keine üblen Begleiter. Meist wird schlussendlich doch etwas mindestens Vertretbares gefunden, die Beschwerde- und Rückgabequote ist bis dato äußerst niedrig.
Nun aber genug dazu. Es mag mir zu anderer, die Überschrift deutet es an, noch einiges zu diesem Thema über die Tastatur kommen. Wir werden sehen. Selber Ort, selbe Unzeit.